Weiden Bahn-Strasse

Als eine perfekt gestaltete Straßenzeile mit historisierenden Gründerzeitfassaden präsentierte sich die neu bebaute Bahnstraße für den aus Köln kommenden Besucher. Ob die Colorierung dieses SW-Fotos eine authentische Darstellung der einzelnen Fassaden war oder einfach exemplarisch die Vielfarbigkeit der Neubauten zeigen wollte, ist nicht bekannt. Die Straße zeigt sich nicht besonders ausgebaut, Bürgersteige sind nicht vorhanden, der Graben teilweise zugeschüttet.

Bahnstraße, rechts Nr.177, um 1910.  Postkarte, Privatbesitz. (mit herzlichem Dank an Carsten Rumpeltin)

 

 

 

Bahnstraße

Das vergessene Bauprojekt von Carl Kammerhoff jr.: Nr.149-181 (1901-1905)

 

 

Spazieren wir an einem dieser sonnigen Frühlingstage die Bahnstraße entlang, zeigen sich die schön erhaltenen und gepflegten Stuckfassaden der Gründerzeit vor allem an den großen Doppelhäusern Nr. 31 - 45 und den anschließenden langen Reihen entlang der nördlichen Seite bis zur Straßenmitte.

 

Doch das war nicht immer so.

 

Zum Ende der Bahnstraße hin fallen zwischen dem Schützenweg und der Aachener Straße vereinzelt alte Fassaden oder Reste davon ins Auge, die vielfach umgebauten Häuser unterscheiden sich von jenen Reihenhäusern schon in ihrer Größe. Sie sind großvolumiger, meist als Doppelwohnhäuser gebaut und haben seitliche Einfahrten, in denen sich häufig die Hauseingänge befinden.

 

Auf dem colorierten Foto von etwa 1910 erscheint dieser Bereich etwas fremdartig als ein Ausdruck hochwertiger Gründerzeitbebauung entlang einer unfertigen Straße. Die Häuser besaßen Vorgärten mit kunstvoll geschmiedeten Einfriedungen und Toren.

 

Dieser Eingang zum damaligen „Neuweiden“ hatte einen durchaus einladenden repräsentativen Charakter, der im Laufe der Jahrzehnte allerdings weitgehend verloren gehen sollte.

 

 

 

Schenkwirtschaft von A. Heep

Weiden bei Cöln

Ausflugsort und Gartenwirtschaft

 

 

 

Bereits 1899/1900 entstand als erstes zweigeschossiges Gebäude, damals noch alleinstehend im Winkel Bahnstraße und Aachenerstraße wo sich einst die historische Barbarakapelle befand, die Gastwirtschaft von Andreas Heep.

Links der Tanzsaalanbau von 1905, rechts die Nr.173 an der Bahnstraße (von 1903).

 

GRUSS aus WEIDEN

Postkarte um 1914, W. Funk, Photograph, Cöln

als Feldpostkarte gestempelt am 16.10.15 in Lövenich                             

Sammlung Uwe Griep

Weil das Dorf Weiden seit 1899 endlich mit einer Wasserleitung versorgt war, konnten jetzt unbegrenzt die alten Wege mit Neubaugebieten erschlossen werden. Die historische Bahnstraße, damals der Mühlenweg, zwischen Bahnhof und Aachener Straße wurde von den Landbesitzern und mehreren zumeist auswärtigen Bauunternehmern für ein attraktives erstes Baugebiet auserkoren.

 

 

 

Noch im selben Jahr war der Kölner Bauunternehmer Carl Kammerhoff jr. im Besitz größerer Landflächen an beiden Seiten der Bahnstraße sowie im Winkel zur Aachener Straße gewesen. Das erste zweigeschossige Gebäude hier war die Gaststätte Aachener Straße 1130 (später Haus Weiden-Eck, heute La Tasca im Nachfolgebau). Es war zuerst backsteinsichtig und erhielt erst später eine den Wohnhäusern angepasste Stuckfassade. Da Kammerhoff die angrenzenden Grundstücke sowohl an der Bahnstraße als auch an der Aachener Straße besaß, kommt er auch als vorheriger Grundbesitzer und Unternehmer dieses für Andreas Heep errichteten Eckbaus in Frage. Gesichert ist, dass er 1905 den Tanzsaal entlang der Aachener Straße anbaute, der 1932 zum Kino umgebaut wurde.

 

Als einer der ersten Pioniere in „Neuweiden“ , wie die Bahnstraße auf einer zeitgenössischen Postkarte auch bezeichnet wurde, entwarf und bebaute Kammerhoff zwischen 1901 und 1905 die gesamte Straßenzeile zwischen der ehemaligen Windmühlenzufahrt (Schützenweg) und der Aachener Straße mit hochwertigen Wohnhäusern, die er Villa nannte, zu einem gartenstadtartig geprägten Gesamtbild.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei dieser ungewöhnlichen zeichnerischen Darstellung handelt es sich um einen weitgehend authentischen Zusammenschnitt aller Fassadenentwürfe, wie sie nach den originalen Bauakten vorgesehen waren. Mit dem Bau der ersten Häuser wurde fast gleichzeitig an beiden Enden der Reihe begonnen. Die äußeren Doppelhäuser stehen viel näher an der Straße, Nr. 179-181 hatten nur einen sehr schmalen Vorgarten. Erst 1902 wurde die Baufluchtlinie an der Bahnstraße weiter zurück gesetzt und fünf Meter tiefe Vorgärten wurden Pflicht. Auch zeigen sich die älteren Häuser noch sparsam ganz im Stil einfacher städtischer Dreifensterhäuser gestaltet.

Die danach aufwändig historisierend gestalteten Putzfassaden mit reichlich Stuckornamenten wurden mit Balkonen und Veranden zur Straße hin geöffnet. Erker, hölzerne Türmchen und verschieferte Dachhelme sowie die Vorgärten mit unterschiedlichen schmiedeeisernen Einfriedungen vervollständigten den malerischen Gesamteindruck. Die Doppelvillen erhielten seitliche Einfahrten in den Hofraum, vor denen Grabenbrücken angelegt werden mussten.

 

 

 

 

Das Wirtschafts- und Wohngebäude  Nr. 149 entstand 1902 an der Ecke zur einstigen Windmühlenzufahrt, die seit der später hinter der Gaststätte errichteten Schießanlage Schützenweg genannt wird.

Mit den Inhabern wechselte mehrfach der Name der Gaststätte.

Hier und vor dem Nachbarhaus Nr. 151 waren keine Vorgärten angelegt.

Nr. 151 wurde von dem Gärtner Leonhard Becker erworben, es war in den 1920er und 1930er Jahren das Wohnhaus des Heimatforschers Dr. rer. pol. Laurenz Lang.

 

 

Restaurant "Weidenhof"

Weiden bei Cöln

Besitzer: Johann Fischer

Postkarte um 1914, G. Vater, Weiden b. Cöln, Bahnstraße

als Feldpostkarte gestempelt am 29.8.15 in Lövenich,

Sammlung Uwe Griep

 

 

 

Bahnstr. 153 im sauberen Originalzustand um 1910, hier noch mit der alten Hausnummer 69.

Die hell gestrichene Fassade erhielt dunklen Stuck um und über den weiß lackierten Fenstern und am Gesims.

Der kleine Balkon war nicht überdacht, diente aber seinerseits als schützendes Dach für die offene Veranda im Erdgeschoss.

Die Spitzen der dunklen Eisengitter waren weiß oder golden verziert.

Die Familie des Malermeisters Heuker steht auf der Grabenbrücke an der noch unbefestigten Bahnstraße.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto, um 1910. Privatbesitz.

 

 

Bahnstr. 159, 1920er Jahre.

Ein hölzernes Türmchen mit Sprengwerk bekrönte den Balkon auf dem Standerker, sein Geländer war aus dunklem Holz.

Die Fassade und der Mauersockel zeigen sich hier schon seit  Jahren vernachlässigt, die Fenster waren dunkel gestrichen. Die Bleche oben an den Fensteröffnung waren Verblendungen der dahinterliegenden Rolläden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto, 1920er Jahre, Privatbesitz.

 

 

Bahnstr. 171

Das Haus wurde 1910 von dem Bauunternehmer Josef Krahm als eigenes Wohnhaus erworben.

Zur Zeit der Aufnahme um 1925 war der Stuck an der Fassade schon reduziert.

Das Obergeschoss war an den Zahnarzt Höfer für seine Zahn Praxis vermietet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto um 1925, Privatbesitz, mit freundlicher Erlaubnis der Fam. Adamczak

 

 

 

 

Bahnstr. 151-157

Das Foto in auffallend schlechter Qualität wurde nach 1935 aufgenommen, auf den einstigen Gräben waren jetzt Bürgersteige angelegt. Die Bäume innerhalb der Vorgärten waren haushoch, Straßenbäume gab es nicht. Die Fassaden scheinen noch im Originalzustand zu sein, sie entsprechen nicht  genau jenen Entwürfen aus den Bauakten. Im Mittelpunkt des Bildes steht das Doppelhaus Nr. 153-155.

 

Die Karte ist postalisch gelaufen, das Datum des Poststempels "Lövenich" ist nicht zu erkennen. Sie ging nach Den Haag, Holland, nach 1938, vielleicht 1950er Jahre (vor dem Krieg war der Verlag A. Rüggeberg in Düren).

 

Bahnstraße Weiden

Postkarte nach 1935

Verlag Alfons Rüggeberg, Köln, Dasselstr. 8

Sammlung Uwe Griep

 

 

Der spielerische romantische Charakter der kompletten Reihe von 17 Wohnhäusern lässt sich nach den sehr unterschiedlichen individuellen Veränderungen aller Häuser im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr erahnen.

 

 

Umso schöner erscheint es da, dass einige Fassaden das historische Aussehen weitgehend bewahrt und gepflegt haben (Nr. 171-173, Nr. 177) oder auch eine sehr schöne aktuelle zeitgemäße Interpretation der historischen Bausubstanz gefunden haben (Nr. 163, Nr. 175).

 


 

 

Bahnstraße 96: Metzgerei Heß (Hess)

 

 

Verloren gegangen ist auch die Gestalt des größten Einzelbaus Kammerhoffs in Weiden, des Eckgebäudes zur Römerstraße (auf der Bauzeichnung noch mit dem alten Namen Klarastrasse benannt), Nr.96. Der hohe zweigeschossige Bau war für eine weitere Reihenbebauung vorbereitet, die jedoch, wie üblicherweise bei den ähnlichen Lövenicher Eckbauten auch, niemals stattfand.

 

Im Jahr 1904 beauftragte der Fuhrunternehmer Johann Breuer Carl Kammerhoff mit dem Bau des Wohn- und Geschäftshauses auf dem Eckgrundstück neben seinem Wohnhaus Nr. 94. Der Bau war an der Römerstraße mit 5 Achsen erheblich breiter als an der Bahnstraße (2 Achsen), in der Eckachse befand sich der Eingang zum Ladenlokal, ein weiterer Eingang zur Wohnung lag an der Bahnstraße. Die Stuckgliederungen der Putzfassade wie der Fugenschnitt im Erdgeschoß und an der Eckachse wurden der gegenüberliegenden Gaststätte Nr. 149 angepasst. Statt eines Balkones bekrönte ein hoher barocker Ziergiebel die Eingangsachse. Die vertikalen Teilungen in der Obergeschoßfassade spiegelten die Maße des darunterliegenden Geschäftsraums wider. Die breiten ungeteilten Ladenfenster mit schmalem Oberlicht ähnelten jenen des Kaufhauses Husmann in Lövenich. Der Eckbau wirkte wie ein Puzzleteil einer größeren einheitlich gestalteten Gesamtbebauung durch den Bauunternehmer Kammerhoff.

Die erste Nutzung des Ladens ist nicht bekannt, jedoch gründeten schon ein Jahr später die Eheleute Georg und Gertrud Heß hier ihre Ochsen- und Schweinemetzgerei. Sie bauten dafür 1907 ein Schlachthaus im Innenhof und 1911 einen Kühlraum neben dem Laden in der Römerstraße. 1949 übernahm Fritz Heß die Metzgerei und modernisierte Maschinen und Einrichtung, 1951 wurden Schaufenster, der Eingang und die Erdgeschoßfassade erneuert.

Nach Aufgabe der Metzgerei Heß wurde 1982 das Erdgeschoss zur Wohnung umgebaut und die Schaufenster und Eingangsöffnungen geschlossen, alle Fenster erneuert und die Fassade verputzt. Der Schlachthausanbau war bereits 1951 zum Wohnhaus Römerstr.21 umgebaut worden.

 

 

 

 

 

Georg Hess und seine Familie vor dem Eingang zu seiner Metzgerei, 1920er Jahre.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto 1920er Jahre, Privatbesitz

 

 

Diese ganzseitige Anzeige der Metzgerei von Fritz Heß erschien 1956 in der Chronik Die Gemeinde Lövenich im Spiegel der Geschichte von dem Gemeindebeamten Jakob Obermanns und dem Heimatforscher Hans Clemens.

Die unterschiedlichen Schreibweisen des Namens - Hess über dem Eingang des Ladenlokals und Heß in der Anzeige - war schon Georg Heß zu eigen gewesen.

Die Fläche des großen Wappens der Stadt Köln - und das in der stolzen Landgemeinde Lövenich! - war in der Bauzeichnung für ein Fenster vorgesehen, das aber vermutlich weggelassen wurde.

Die Fassade des Erdgeschosses war bereits erneuert.

Der schmale Anbau in der Römerstraße war das Kühlhaus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Carl (Karl) Friedrich Kammerhoff jr.

Maurermeister, Bauunternehmer

gest. 14.11.1908 in Weiden, 61jährig

Über Carl Kammerhoff jr. sind nur sehr wenige persönlichen Angaben überliefert. In den Kölner Adressbüchern ist er unter verschiedenen Adressen seit 1888 als Maurermeister erwähnt, zuletzt in Ehrenfeld. Spätestens im Jahr 1900 besitzt er Grundstücke an der Aachener Straße und der Bahnstraße in Weiden, zu deren Erschließung er Grabenbrücken baut.  Die Häuser Bahnstr. 114-116 (wohl eher schon 1899 im alten eingeschossigen und traufständigen dörflichen Backsteinstil errichtet) und Aachener Str. 1136-1138 waren vermutlich seine ersten Bauten in Weiden. Außerhalb seiner Bauaktivitäten tritt Kammerhoff niemals in Akten oder Berichten in Erscheinung, weitere Lebensdaten sind unbekannt. Er wohnte offensichtlich zuerst kurz in der Bahnstr. 114 und zog dann in die Aachener Str. 1136.

Kurz nach ihm starb ein 40jähriger Kammerhoff in Weiden, vermutlich sein Sohn.

Nur wenige Jahre seines Lebens verbrachte Carl Kammerhoff jr. in Weiden, er war zwischen 1899 und 1905 für den Bau von 27 Wohnhäusern in Weiden und Lövenich verantwortlich. Sein Name war bald vergessen, seine Spuren prägen jedoch bis heute das ungewöhnliche Straßenbild der südlichen Bahnstraße.

 

Bauten als Unternehmer in Weiden und Lövenich:

1901   Braugasse 11

1902   Römerstr. 11

1903   Aachener Str. 1264                              Schuppen

1903   Bahnstr. 59                                           mit den Maurern/Bauunternehmern  Anton Maxrath und Martin Kirsch

1903   Braugasse 8    Stall

1904   Aachener Str. 1136                              Einfriedung

1904   Bahnstr. 13-15

1904   Bahnstr. 96                                         ehem. Metzgerei Hess

1904   Bahnstr. 181                                         Einfriedungsmauer

1904   Bahnstr. 101                                         Vorgarteneinfriedung

1904   Braugasse 10                                        Backstube

1905   Aachener Str. 1130                              Tanzsaal, Stall für Gaststätte Andreas Heep

1905   Bahnstr. 43                                           Holzturm

1905   Bahnstr. 114                                         Umbau

 

Bauten als Bauherr und Unternehmer:

1899/1900   Bahnstr. 114-116

1900             Aachener Str. 1136-1138

1901-1905   Bahnstr. 149-181                      17 Wohnhäuser 

 

Die  Informationen und Angaben stammen aus den originalen Hausbauakten im Besitz der Stadt Köln und wurden zuerst veröffentlicht in: Uwe Griep:  Köln: Lövenich, Weiden und Junkersdorf. Siedlungsgeschichte bis 1950. Köln 2003.

Für die zur Verfügung gestellten Fotos bedanke ich mich herzlich bei Lilo Sieweck +, Carsten Rumpeltin und Fam. Adamczak, alle in Weiden.

Die Übernahme von Infos und Textauszügen ist gestattet, zwingend mit der wissenschaftlich üblichen Form des genauen Zitierens ihrer Herkunft.